Sonntag, 7. August 2011

Den Schweizer Franken passieren lassen

Der Schweizer Franken steuert auf einen Par-Kurs mit den EURO zu. Für einen Dollar zahlt man keine 80 Rappen mehr. Politiker, Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände blasen nunmehr unisono in das gleiche Horn und rufen nach Interventionen. Hat man so schnell vergessen, wie kläglich ein solcher Versuch scheitern kann? Erinnert sich niemand mehr an die Pfundkrise 1992 (siehe auch http://de.wikipedia.org/wiki/Pfundkrise ) und wie aussichtslos es sein kann, gegen fundamentale Markttrends anzukämfen? Ich erwarte jedenfalls ein grosses Versagen beim Versuch, den Höhenflug des Schweizer Franken durch Interventionen der Schweizer Nationalbank (SNB) zu bremsen. Diese Marktmacht hat die SNB schlichtweg nicht. Genauso untauglich ist eine künstliche Fixierung des Wechselkurses. Das verlagert das Problem nur, meist mit signifikanten unerwünschten Nebeneffekten.
Eine Intervention wäre ohnehin nur sinnvoll, wenn es sich um eine kurzfristige Übertreibung und nicht um einen langfristigen Trend handelt. Natürlich mögen Dollar und EURO sich zwischenzeitlich nochmals erholen. Das tun sie zum einen dann aber auch von selbst. Zum anderen spricht ohnehin Vieles dafür, dass es sich hier um nichts Kurzfristiges handelt und man sich besser auf einen langfristig starken Schweizer Franken einstellt. Die Schweizer Geldpolitik ist solider und die Schweizer Wirtschaft strukturell besser aufgestellt, als es die USA und Europa sind und auch in absehbarer Zeit sein könnten. Klar, man wird sich in der Schweiz von der Entwicklung in Europa und den USA nicht abkoppeln können, sind dies doch auch wichtige Absatzmärkte. Aber relativ wird die Schweiz, wenn sie keine grossen Fehler macht, eine bessere Entwicklung vor sich haben als die restliche westliche Welt. Und das spiegelt sich natürlich auch in der Währung wider. Übrigens ist der Trend nicht neu. Ein Dollar kostete vor einigen Jahrzehnten mehrere Franken. Diese kontinuierliche Entwertung des Dollars über Jahrzehnte hat die Schweiz gut überlebt. Sie wird es auch diesmal tun. Man sollte einfach, wie gesagt, grobe Fehler vermeiden.
Und genau solch ein Fehler könnten jetzt massive Interventionen am Währungsmarkt sein. Wenn sie überhaupt greifen, würden sie nur kurzfristig Symptome lindern. Sie können aber ein enormes Geld kosten und zu einer überschuldeten Notenbank führen - ein Drama, das wir uns ersparen sollten.
Das Grundübel ist doch das hohe Preis- und Lohnniveau in der Schweiz im Vergleich zu seinen Nachbarn. Wenn wir es „per Order di Mufti“ könnten, müssten wir beides simultan senken. Eine junge angehende Volkswirtschaftlerin prognostizierte mir auch kürzlich in einem privaten Gespräch, dass genau das nun passieren würde. Leider ist zu befürchten, dass dies kein geordnetes Verfahren wird, weil es dazu an kollektiver Vernunft fehlt. Die Importeure würden sich wehren gegen wettbewerbsfördernde Massnahmen, die Importe zu Euro-Preisen fördern und damit die Preise senken würden. Man schaue sich nur die erfolgreiche Pharmalobby an, die es immer wieder schafft, die Preise für Arzneimittel, die sie in Nachbarländern deutlich günstiger verkauft, in der Schweiz teuer zu halten. Und die Gewerkschaften würden mobil machen, wenn wir Jahr für Jahr nun sukzessive Lohnsenkungen hätten, selbst wenn die Preise nachweislich runtergingen. Also braucht es leider das, was so häufig der einzige Weg ist: Fehlentwicklungen mit Schock-Korrekturen. Genau solche wird es in den kommenden Jahren wahrscheinlich geben, mit dem gleichen Resultat, wie man es hätte, wenn man geordnet vorginge. Weil aber jeder das Problem woanders sieht, lässt sich das leider nicht geordnet durchführen.
Nun aber einen solchen Prozess aufzuhalten, wäre eine komplette Verkennung der Lage. Die Schweiz kann nur ihre Preise und Löhne senken. Hier gibt es die wahre Fehlentwicklung. Autos werden zu weniger als der Hälfte des Schweizer Preises in den USA angeboten. Und eine ungelernte Reinigungskraft kostet mehr als eine ausgebildete Kraft in Deutschland verdient. Beides sind inakzeptable Phänomene, die auf eine gewollte oder De-Facto-Abschottung des Schweizer Marktes gegen Wettbewerb aus den Nachbarländern hindeuten. Wenn die Schweiz dieses Grundübel nicht angeht, wird es eben die Schock-Korrektur geben.
Immerhin könnten wir jetzt den Wettbewerb durch recht einfach umsetzbare Massnahmen fördern. Autos müssten z.B. ohne grossen bürokratischen Aufwand europäisch gekauft werden können. Es kann nicht sein, dass Schweizer Konsumenten hier und auch anderswo ohne jeden nachvollziehbaren Grund ausgenommen werden wie Weihnachtsgänse. Hier muss die Politik sich von unheiligen Allianzen mit Lobbyorganisationen trennen und endlich einen internationalen Wettbewerb der Produkte und Services zulassen. Es wird eine schwierige Übergangsphase geben. Aber was ist die Alternative? Man kann sich langfristig nicht aus dem Markt "rauspreisen".
Und was tun bezüglich des Höhenflugs des Schweizer Frankens? Nichts! Wie schon ein Professor mir damals als Student an der Uni sagte: "If a trend cannot prevail, it will end." Ist der Höhenflug unberechtigt, korrigiert sich das Ganze von selbst. Ist er es nicht, sollte man sich nicht versuchen, gegen ihn zu stemmen - es wäre ein hoffnungsloses Unterfangen.

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