Montag, 7. März 2016

Völkerwanderung 2.0 - Nachtrag

Bald zwei Monate ist es her, dass ich über die Völkerwanderung 2.0 schrieb (hier klicken zum Blogbeitrag "Völkerwanderung 2.0 - ein Vorschlag"und den Vorschlag unterbreitete, auf europäischem Boden Pufferzonen für Flüchtlinge und sonstige Einwander zu schaffen, in denen sie entweder verweilen können, wenn sie nur temporär Zuflucht suchen, oder aber im Rahmen einer klar definierten Einwanderungspolitik in europäische Länder weiterziehen können.
Selten hatte ich einen solchen Respekt vor der Veröffentlichung eines Blogeitrags. Selten erhielte ich dann aber auch so viel Zuspruch. 
Eigentlich überrascht mich das im Nachhinein nicht. Denn immer noch gilt wahrscheinlich, dass die meisten von uns helfen wollen, zugleich aber auch sehen, dass es eine unkontrollierte Einwanderung nicht geben kann.
Auf der einen Seite dieser Zuspruch unter "normalen Menschen", auf der anderen Seite balgen sich Politiker fast zwei Monate in Talkshows zum Thema - und die dortigen Debatten verharren auf dem unproduktiven Niveau von plattitüdenhaften Einzelstatements. "Wir müssen den Flüchtlingen helfen." "Wir haben ein Recht, unsere Grenzen zu schützen." "Wir schaffen nicht jedes Mass an Einwanderung." Alles richtig, aber wo ist das Gesamtkonzept, wo geht man aufeinander zu?
Fakt ist:
- Selbst wenn Europa heute verabschiedet, dass die Balkanroute nachhaltig geschlossen bleibt, wird diese Massnahme damit doch kein Phänomen beenden, dessen Zeuge wir nun schon seit vielen Jahren sind. Die nächste Flüchtlingswelle kommt bestimmt. 
Eigenkontrollierte Pufferzonen würden dann dafür sorgen, dass sich die für alle unbefriedigende Situation der letzten Monate nicht wiederholt. 
- Was passiert mit den Flüchtlingen ausserhalb von Europa, in der Türkei, im Libanon? Wir können uns darauf verlassen, dass unerträgliche Bilder ihren Weg zu uns finden werden und die Diskussion grad von vorne beginnen lassen. Denn viele von uns können das Elend der Welt nicht einfach ausblenden. Für das, was hinter den europäischen Aussengrenzen passiert, werden wir uns mitverantwortlich fühlen.
Pufferzonen auf europäischem Boden liessen uns Standards selbst kontrollieren. Und bezahlen werden wir ohnehin - entweder an die Türkei, den Libanon, etc (nicht mal wissend, ob das Geld auch wirklich komplett seinem Zweck zugeführt wird) oder eben für die Errichtung von Pufferzonen, die wir gestalten, nach unseren Ansprüchen.
- Was machen wir mit denen, die es nach Europa geschafft haben oder noch schaffen werden? Soll einfach das Recht des stärkeren, gerissener oder wohlhabenderen Flüchtlings gelten? Der, der die Mauer erfolgreich überwunden, ein Loch in den Zaun geschnitten oder einen Schlepper bezahlt hat, darf bleiben? Welche Form von Gerechtigkeit ist das? 
Pufferzonen würden es auch erlauben, eine soziale Priorisierung vorzunehmen. Und wer sich versucht, dieser zu entziehen, aber noch kein Einwanderungsanrecht hat, kann sofort wieder zurückgeschickt werden, in die Pufferzone, denn die kontrollieren wir. Wir sind bei der Rückführung nicht-berechtigter Einwanderer nicht abhängig von irgendwelchen aussereuropäischischen Ländern, die als Goodwill-Massnahme mal 200 Personen zurücknehmen, von denen wir uns aber eigentlich besser nicht abhängig machen sollten und auch nicht ernsthaft bei der Lösung des Problems verlassen können.
Das Konzept der Pufferzonen, das ich hier postuliere, wird nicht zustandekommen, solange man nicht aufeinander zugeht, sondern sich gegenseitig Vorwürfe macht. 
Die, die Mauern bauen wollen, sollten akzeptieren, dass Migration ein Fakt unserer heutigen Zeit ist und wir gut daran tun, eine bewusste Einwanderungspolitik zu formulieren (das Flüchtlingsthema mit berücksichtigend), als sich dem Phänomen zu verschliessen. Hier geht es nicht um Sozialromantik, sondern um Realitäten. Geld werden wir dafür sowieso bezahlen. Wir können es zweifelhaften Regimen geben. Oder wir können den Prozess selbst kontrollieren.
Umgekehrt greift der Vorwurf nicht, man handle herzlos und würde Konventionen verletzen, liesse man nicht alle, die kommen wollen, zu sich. Eine solche Argumentation blendet aus, dass ein Staat auch die Verantwortung hat, seine Stabilität zu gewähren. Unkontrollierte Zuwanderung ist keine Option. Die hatten wir aber die letzten Monate. Dass das vielen Menschen Sorge bereitet, ist doch völlig verständlich. 
Pufferzonen auf europäischen Mittelmeerinseln sind natürlich kein Idealzustand. Sie werden dem Modell grosser UNHCR-Flüchtlingslager ähneln. Aber es sind auch keine Internierungslager, denn sie sind einseitig offen. Zurück nach Hause geht es immer. Wer nur temporär Schutz sucht, wird dort Sicherheit finden. Integration ist in diesem Fall gar nicht notwendig. Und wer nach Europa einwandern will, der ist nicht nur Flüchtling, sondern auch Einwanderer, und dem kann zugemutet werden, diese Zwischenstation zu akzeptieren und für die Vorbereitung auf die Einwanderung (Sprachkurse, Ausbildungs- und Berufsschulwesen) zu nutzen. 
Wir werden auf Dauer nur eine souverän kontrollierte Einwanderungspolitik durchhalten. Sie ist auch gerechter. Und sie fände wahrscheinlich einen mehrheitlichen Rückhalt in der Bevölkerung, die helfen, aber auch nicht überfordert werden will.


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