Samstag, 5. April 2014

Die 20-Stunden-Woche

Das Jahr 2014 ist noch jung. Und dennoch haben wir bereits den Harvest Day (siehe Blog vom 02.01.2014: Harvest Day) erreicht. Wir verbringen statistisch nun den Rest des Jahres nur noch mit Freizeit. Wem dieser Umstand bereits erstaunlich erscheint, dem mag mit den Worten von Ronald Reagen gesagt sein: "You ain't seen nothin' yet." Wir befinden uns erst in den Anfängen einer industriellen Revolution, deren Dimension die meisten von uns noch nicht im Ansatz realisiert haben - leider auch nicht die politische Kaste, die wichtige Weichen stellen müsste. Dazu später mehr. Mit Siebenmeilenstiefeln erzielen wir Produktivitätsfortschritte, unterstützt von beeindruckenden Entwicklungen in der Informationtechnologie, in der Robotik und bei den sogenannten 3D-Druckern. Nicht nur in der Industrie, wo wir dies erwarten, sondern auch in der Landwirtschaft werden Felder zunehmend von GPS-gesteuerten Mähdreschern und anderen Landmaschinen bearbeitet. Selbst im eigentlich "menschenintensiven" Dienstleistungssektor sprechen wir auf so mancher Service-Hotline - teilweise komplette Gespräche - mit sympathisch klingenden Computerstimmen. All dies führt zu mehr und mehr Effizienz. Um gleiches zu erreichen, müssen wir immer weniger Arbeitsleistung erbringen. Die 20-Stunden-Woche wird so schneller kommen, als viele von uns es heute denken und eine über die letzten 150 Jahre bisher degressiv verlaufende Reduktion bei den Wochenarbeitsstunden (siehe Graphik) deutlich beschleunigen.
 
Immer weniger arbeiten für mehr Wohlstand. Man könnte meinen, dieser Umstand ist Grund für uneingeschränkte Freude. Ist er aber nicht. Die Geschwindigkeit der Effizienz-Fortschritte nimmt zu und stellt uns vor grosse gesellschaftliche Herausforderungen. Konnten sich unsere Urgrosseltern noch über ein bis zwei Generationen auf 10 Stunden weniger Arbeitszeit pro Woche einstellen und diese sozialverträglich verteilen, werden wir nunmehr erleben, wie die Arbeit vieler Menschen durch die Automatisierung nicht mehr nachgefragt wird. All diese Menschen können nicht Pizzas ausfahren. Auch bringen Lohnerhöhungen zunehmend weniger, weil in menschenleeren Produktionsstätten dem Faktor Arbeit keine Wertschöpfung zufliesst - egal, wie hoch der Lohn ist. Wenn nun aber die Erträge der zunehmenden Automation bei den auf die Gesamtgesellschaft bezogen wenigen Eigentümer des Produktivkapitals anfallen, wird dies zu grossen gesellschaftlichen Verwerfungen führen. Dem kann man (Gott bewahre, dass dies versucht würde!) mit Umverteilung durch mehr Steuerbelastungen nicht Herr werden. Resultat wäre ansonsten eine Situation voller Almosenempfänger, während die Eigentümer von Maschinen aberwitzige Ertragssteuern zahlen müssten, um den Wohlstandstransfer zu ermöglichen - eine unerträgliche Situation.
Ein Lösungsansatz, der den notwendigen Wandel zulassen würde, ohne dass es zum ansonsten unvermeidlichen Systemkollaps (z.B. durch überbordende Arbeitslosenzahlen, wie wir sie heute schon in Spanien und Süditalien kennen) kommt, wäre die Beteiligung breiter Bevölkerungsschichten am Produktivkapital über privatwirtschaftliche Systeme (mit staatlichen Leitplanken). Vorbild können hier die Pensionskassen Schweizer Art sein - nur, dass diese dann nicht mehr ausschliesslich für die Altersvorsorge gedacht wären, sondern für die Beteiligung am Produktivkapital durch das ganze Leben hinweg. Jeder Ernährer würde den notwendigen Lebensunterhalt zum einen aus einer gewissen Arbeitsleistung mit Geist und Körper erwirtschaften, zum anderen aber auch aus Erträgen durch Miteigentum an maschinengetriebener Produktion. Vor dem Hintergrund, dass der Aufbau solcher Systeme viele Jahre braucht, wäre es höchste Zeit für die Protagonisten aus Politik, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden, entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen. Stattdessen werden aber weiter absurde Arbeitskämpfe im klassischen Stil geführt. Man diskutiert lieber weiter höhere Löhne, als innovative Beteiligungssysteme (diversifiziert natürlich, wie bei Pensionskassen üblich) einzuführen. Und so verbleibt wohl die Verantwortung bei uns selbst, für uns und die, die wir ernähren, eine solide Basis zu schaffen, die nicht mehr nur aus einer guten Ausbildung, sondern auch in soliden Beteiligungen an Produktivkapital bestehen kann. Klug der, der sich frühzeitig darum kümmert.

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